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Das Kaninchen vor der Rentenlücke

Es gibt Wochen, da lese ich wirklich in jeder Zeitung und jeder Zeitschrift Artikel über die Rente und die Altersvorsorge. Ein Wort kommt dabei besonders häufig vor – die Rentenlücke.

Die „Rentenlücke“ ist übrigens auch eines der Lieblingswörter vieler Makler, Finanzberater, Banker und Versicherungsagenten.

Sie ist das alles erschlagende Argument, warum wir sofort eine Rentenversicherung abschließen oder ein ähnliches Altersvorsorgeprodukt kaufen sollten. Ich persönlich mag das Wort Rentenlücke nicht. Denn es eignet sich perfekt, um den Menschen Angst einzujagen. Diese Eigenschaft ist aber genau das, was sowohl Versicherungsvertriebe als auch Journalisten so sehr an ihr lieben.

 

Die Rentenlücke – ein Reizwort, das den Medien Klickraten und Auflagenstärke garantiert und der Finanzwelt höheren Umsatz.

Das schöne Bild vom Kaninchen vor der Schlange beschreibt unsere häufige Reaktion ganz wunderbar. Dieses bewegt sich nicht und hofft, dadurch nicht entdeckt zu werden. So ein Verhalten ist natürlich nicht bewusst, sondern ein Reflex, welcher sich in der Natur oft bewährt hat.

Viele Menschen leben in der (pseudo) Gewissheit, dass die Rente sowieso nicht reichen wird. So steht das ja auch überall – in einer Vielzahl vonr Veröffentlichungen nach demselben Denk- und Meinungsschema.

Deshalb ist es sehr weit verbreitet, gerade bei diesem Thema wie das Kaninchen zu erstarren und zu denken: wenn es mal später so wenig ist, dann möchte ich das jetzt lieber noch gar nicht wissen. Sie lesen weiter jeden Artikel mit Gruseln, der ihre Meinung bestätigt. Kommen aber ansonsten nicht eigenständig ins Handeln. (Da kommt der vertrauenswürdige Versicherungsmensch natürlich gerade recht).

 

Allein das Wort Rentenlücke löst Unbehagen aus. Müsste es aber nicht.

Klar, die Statistiken stimmen so weit: laut der Deutschen Rentenversicherung haben am Stichtag 31.12.2019 in den alten Bundesländern die Altersrentner durchschnittlich 910 € monatlich bezogen. Die Männer 1169 € im Schnitt und die Frauen im Schnitt 700 €. (wichtige Eckzahlen der Rentenversicherung)

Das sind Statistiken. Was heute in der Rentenversicherung stattfindet, ist das Ergebnis der Geschichte der letzten 60 – 100 Jahre. Um zu verstehen, warum Frauen z. B. so viel weniger Altersrente haben als Männer, brauchen wir uns nur die gesellschaftlichen Zustände in unserer jüngeren Vergangenheit anzusehen.

Diese monatlich 910 € gelten nicht unbedingt für dich. Das ist dir sicher klar. Aber vielleicht hast du wie viele andere das unbestimmte Gefühl, es könnte zu wenig sein, was du später einmal bekommst.

 

Rücklagen für später bilden – mit Köpfchen und Bewusstsein

Die „Rentenlücke“ soll dir genug Angst machen, dass du heute deinen Konsum etwas einschränkst, um in Zukunft „nicht am Hungertuch zu nagen“ oder gar „unter der Brücke zu schlafen“. Letzteres ist mein Lieblingsbild – das steigt nämlich in mir selbst auf, immer dann, wenn ich meine Existenz bedroht sehe 😊. (z.B. als ich daran dachte, mein Angestellten-Dasein für meine Selbständigkeit aufzugeben. Andere Geschichte…)

Lass dich nicht von der Angst leiten. Kümmere dich nur um dich und deine Lieben und sieh dir konkret an, was bei euch Sache ist.

Richtig ist: es wird eine Zeit kommen, in der du frei entscheiden möchtest, was du so den ganzen Tag machst. Du möchtest nicht bis 90 darüber nachdenken müssen, wo das Geld für die Brötchen morgen jetzt so schnell herkommen soll. Also brauchst du Rücklagen. Aber nicht blind.

Mach dir bewusst,

  • wieviel Geld du später wirklich brauchst
  • in welcher Höhe du jetzt schon für deine Versorgung im Alter gesorgt hast
  • wieviel du heute zusätzlich zurücklegen müsstest, um später wirklich genug zum Leben zu haben

 

Stell dir ernsthaft die Frage: Wieviel Geld brauchst du später wirklich?

Auch hier haben Finanzberater eine schnelle Antwort parat. Beispielsweise 80 % des heutigen Netto wird gerne als Nettobedarf im Alter genommen. Damit du von deiner Bruttorente auch Steuern und Krankenversicherungsbeiträge bezahlen kannst, schlagen sie ein Viertel auf. Mit diesem einfachen Rezept landen sie wieder bei hundert Prozent des heutigen Netto als monatlicher Bruttorente, die benötigt wird.

Beispiel – du verdienst heute monatlich 1000 Euro netto. Das genannte Rezept wirft dann auch 1000 Euro Bruttorente als monatlichen Bedarf im Alter aus.

Eine einfache Rechnung… aber stimmt sie auch? Ein paar weitere Fragen dazu:

  • Wie viel Geld gibst du schon heute für private Vorsorge aus? Da du hoffentlich nicht bis an dein Lebensende „für später“ sparen wirst, sind diese Beträge im Alter wieder frei für die schönen Dinge des Lebens.
  • Angenommen, dein Ruhestand dauert 30 Jahre. Wie wird sich dein monatlicher Geldbedarf in diesen 30 Jahren verändern? Oder wirst du mit 68 Jahren gleich viel Geld benötigen, wie mit 94?

 

Kennst du deinen Mindestbedarf?

Also den Betrag, den du unbedingt zum Leben brauchst, wenn alle Nice-to-haves erstmal keine Rolle spielen. Bevor du jetzt denkst „So will ich aber nicht leben“: Es ist ein Gedankenexperiment, das dir hilft, klarer zu sehen. Wenn du erst einmal deine Bedürfnisse nach

  • unabdingbar
  • Annehmlichkeit
  • wunderbarer Luxus

eingeteilt hast, fällt es dir leichter zu entscheiden, für welches Nice-to-have du dich jetzt noch einmal richtig ins Zeug legen willst. Und welche Bedarfe es dir nicht mehr wert sind, dich heute weiter einzuschränken. Und diese Entscheidung ist sehr wichtig für dein Leben.

 

Inflation: So wird die Rentenlücke zum Scheinriesen

Was ist der Trick, der die Rentenlücke noch viel größer wirken lasst? Genau, die Hochrechnung mit der Inflation. Ich höre schon den vielstimmigen Protest, der mir jetzt entgegenschallt. Wie kann man eine Hochrechnung für die Zukunft ohne Berücksichtigung der Inflation machen? Tja ganz einfach. Indem ich die Geldbeträge der Zukunft in den Euro von heute umrechne, als wären es zwei verschiedene Währungen. Aber das erzähle ich in einem anderen Blogartikel.

Tatsache ist, dass der monatliche Bedarf durch die Berücksichtigung der Inflation zahlenmäßig noch aufgeblasen wird. Mal angenommen, du bräuchtest tatsächlich heute 1000 € für das Leben, welches du dir wünschst. Wir gehen hier als Beispiel von einer Inflationsrate in Höhe von 2 % aus. In 20 Jahren entsprechen die heutigen 1000 € einem Betrag in Höhe von 1600 €. Dieser Euro der Zukunft hat natürlich nicht mehr die Kaufkraft wie der Euro von heute. Unser Geldgefühl sagt uns aber etwas Anderes.

Ich weiß, dass ich heute 1,50 € für eine Kugel Eis ausgebe. Mein Lieblings-Biobrot kaufe ich für 4,50 € und denke jedes Mal „Wow“! Ein billiges T-Shirt gibt es für 3,95 € (da will ich mir die Arbeitsbedingungen nicht vorstellen), einen hochpreisiger Föhn 499 € und ein Wiener Schnitzel mit Pommes 17,50 €.

All diese Werte und Gegenwerte, so wie sie uns im Alltag begegnen, haben wir in uns gespeichert – sie machen unser Gefühl für Geld aus – unter anderem.

Vom Zahlenwert her ist die Rentenlücke in 20 Jahren im Verhältnis zu heute genau wegen der Berücksichtigung der Inflation deutlich größer. Durch unser heutiges Geldgefühl erscheint sie uns auch vom Warenwert her deutlich größer als in Wirklichkeit, was die Angst vor dem Alter und der Rentenlücke also noch erhöht.

 

Befreie dich mit diesen 3 Schritten von der Angst vor der Rentenlücke

Lies weniger Artikel zu dem Thema Rentenlücke oder sage dir wenigstens, dass Drama dem Marketing dient.

Betrachte ausschließlich deine persönliche finanzielle Situation – jetzt und später.

Setz dir zum Ziel, für dich selbst in x Wochen oder Monaten eine Übersicht über deinen jährlichen Geldbedarf und deine sicheren / möglichen / wahrscheinlichen im Alter fertig zu haben. Es kann dauern, du wirst viel recherchieren und dabei lernen, und du holst dir vielleicht Hilfe dabei. Aber danach ist es ein fantastisches Gefühl.

 

 

 

Ich möchte dich mit diesem Artikel ermutigen, dir deine eigene Situation selbst anzusehen und zu entscheiden, wie hoch die sagenhafte Rentenlücke für dich persönlich wirklich ist.

Viel Erfolg dabei und liebe Grüße

Deine Susanne

 

 

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